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Auf das Alte zurückblicken um das neue zu Verstehen

Interview mit Sensei Toshihiro Oshiro
Dieser Artikel wurde zuerst am 7. Juli 2002 im American Samurai Nr. 7 veröffentlicht.
 

American Samurai: Wir würden gern mit Ihnen über das Training diskutieren..
Toshihiro Oshiro: Einige klassische Kampfkünstler machen sich Gedanken über die Art und Weise, wie Karate heutzutage ausgeübt wird. Von einer strengen „Bujutsu“-Perspektive ausgehend, ist es möglich, bestimmte Aspekte zu sehen, die beunruhigend erscheinen. Einige Traditionalisten anderer Künste sind sogar soweit gegangen zu sagen, Karate sei eine zweitklassige Kampfkunst. Dieses Gefühl wird auch von einigen Karateausbildern geteilt. Um ihre Reaktion besser verstehen zu können, müssen wir zuerst das traditionelle Karate betrachten, welches vor langer Zeit in Okinawa praktiziert wurde und dieses dem Karate von heute gegenüberstellen. Ein guter Ausgangspunkt wäre, das Karate vor und nach der Einführung in das öffentliche Schulsystem Okinawas, durch Anko Itosu, zu untersuchen. Karate wurde modifiziert, um es dem Sport-Lehrplan der öffentlichen Schulen anzupassen. Dies geschah als Karate 1901 Teil des Stundenplans an der Jinjo Grundschule in Shuri eingeführt wurde. Im Jahre 1905 schuf Anko Itosu die fünf Pinan Katas, um diesen Prozess weiter zu erleichtern. In den frühen 1920'ern brachte Gichin Funakoshi Karate auf die Hauptinseln Japans. Ihm folgten bald andere Karategrößen wie Choki Motobu und Kenwa Mabuni. Zu dem Zeitpunkt, als Karate zum Festland überschwappte, hatte es sich schon vollständig in eine Art Sportunterricht/ Sportart gewandelt. Als die Kampfkunstexperten des japanischen Festlandes diese Kunst Okinawas zum ersten Mal sahen, reagierten sie skeptisch. Sie hielten es für keine erstklassige Kampfkunst. Ihre Reaktion galt aber der dem Schulsport angepassten Version und nicht dem ursprünglichen Karate, welches vor der Modifikation durch Anko Itosu praktiziert wurde.

AS: Was beeinflusste diese Veränderung und was würde es Erstklassig machen?
TO: Man muss sich zuerst den 'Zeitgeist' der Taisho-Ära (1912-1926) ansehen. Es war eine Zeit, die von großen Veränderungen in der japanischen Geschichte geprägt war. Die Meiji Restauration hatte gerade geendet. Japan begann mit der Modernisierung und schaute nach Großbritannien, Preußen, Frankreich und den USA als Vorbilder für ihre Finanz-, Militär- und Bildungssysteme. Den Samurai Kriegern wurde verboten, ihr Schwert bei sich zu tragen und ihnen wurde auch nicht mehr erlaubt, ihre traditionelle Kleidung (topnotch) zu tragen. Das gegenwärtige politische System Japans wurde 1885 eingeführt. In Japan entwickelte sich der Nationalismus parallel zur Industrialisierung. Dies hatte eine direkte Auswirkung auf die Kampfkünste. Die Oberhäupter des Landes waren daran interessiert, eine Gesellschaft mit jungen Menschen zu schaffen, die körperlich und 'moralisch' stark waren. Die Ideale des Budo wurden während dieser Zeit in den Vordergrund gerückt. Die Kampfkünste wurden als ein Mittel betrachtet, um Körper und Geist der japanischen Jugend zu stärken. Jiu-Jitsu wurde unter dem Einfluss von Kano Jigoro zu Judo. Kendo wurde von verschiedenen Schulen vom Kenjutsu abgeleitet. Das 'überarbeitete' Karate passte genau in dieses Konzept. Von allen Kampfkünsten war Karate das, was am leichtesten in eine mehr sportliche Aktivität umzuwandeln war. Sport ist an und für sich keine schlechte Sache. Dies ist der tatsächliche Grund, warum Karate heute so verbreitet ist. Wir müssen zwischen Kampfkünsten, militärischer Ausbildung und modernem Karate unterscheiden. Das ältere, traditionelle Karate aus Okinawa war zuerst als eine Kampfkunst für die Selbstverteidigung gedacht. Das moderne Karate, welches sich rund um die Welt verbreitet hat, entstand, als es der breiten Masse gelehrt wurde. Ohne das moderne Karate wäre es unwahrscheinlich, dass Karate so populär geworden wäre. Modernes Karate, wie wir es heute trainieren, ist vielleicht gerade 20 Jahre alt. Diese Form des Karate unterscheidet sich von dem, was Ihr Sensei ursprünglich gelernt hat und gelehrt wurde. Die Methode, mit der die älteren traditionellen Kampfkünste gelehrt wurden, ist nicht für die heutige Militärausbildung geeignet. Traditionelle Kampfkünste basierten mehr auf einer eins-zu-eins (also einer direkten) Übertragung der Anweisung und sind nicht etwas, was mehreren Leuten in einer großen Gruppe gleichzeitig gelehrt werden kann. Auch ist es im Militär wichtig, dass sich die Einheit oder das Bataillon als Ganzes bewegt. Wenn sich jeder Soldat willkürlich bewegen würde, würde die Einheit oder das Bataillon seine Stärke verlieren. Die Stärke des Militärs beruht auf der Einheitlichkeit. Das Karate von heute ist auf Gruppentraining ausgerichtet, ähnlich wie es auch im Sportunterricht zu finden ist. Deshalb war es leicht, Karate überall auf der Welt zu verbreiten. Mit der Verbreitung des Karates über den gesamten Globus begannen Leute, die auf diese Kunst stießen, die Wirksamkeit der Katas anzuzweifeln. Funktioniert es wirklich? Wozu dienen diese Bewegungen? Was für Anwendungen gibt es? Um die Katas zu verstehen, muss man sie zurück zu ihrer Originalform bringen, also in die Form, die existierte, bevor sie zu einer sportunterrichtähnlichen Form umgeändert wurde. Mit anderen Worten, man muss sich die Katas ansehen, die vor fast 100 Jahren gemacht wurden, bevor Karate aus Okinawa "exportiert" wurde.

AS: Ist es möglich, auf die alten Wege zurück zu kommen?
TO: Es zurückbringen, wo es hingehörte? Das wäre schwierig und wahrscheinlich nicht wirklich notwendig. Wenn Sie den Leuten die ursprüngliche Bedeutung und Bewegung einer Kata lehren, können sie dies dann in ihr Training integrieren und zu einem neuen Verständnisniveau gelangen. Durch diesen Prozess des Kombinierens des Alten mit dem Neuen, kann etwas Größeres geschaffen werden, wodurch das moderne Sportkarate eine Bereicherung erfahren kann. Diese Synthese wird durch ein Zurückschauen auf das ältere traditionelle Karate Okinawas erreicht. Heutzutage dient das Bunkai (also die Anwendung) eines typischen Karatekas meistens einem Showeffekt. Die eigentliche, wahre Absicht einer Bewegung ist nicht vorhanden. Wenn man die ursprünglichen Ideen in die gegenwärtige Ausführungsform einbezieht, werden u. a. „Steigerung des Bewusstseins des Seichusen“ und „Verstehen des Embusen“ mit ins Spiel kommen, was der neuen Entwicklung zugute kommen kann. Wir können modernes Karate verbessern, indem wir es mit dem Alten kombinieren, und dadurch zu einer besseren Einsicht gelangen. So können wir den Leuten, die meinen „die Katas funktionieren nicht“, entgegen treten und ihnen zeigen, dass sie doch funktionieren.

AS: Was bedeutet Seichusen?
TO: Vereinfacht bedeutet Seichusen „die Angriffslinie“ oder „die Verteidigungslinie“. „Seichu“ bedeutet in Japanisch „genau in der Mitte“, „Sei“ bedeutet „Linie“. Es ist der Weg, den der Angreifer überqueren muss, um Sie zu erreichen. Ebenso ist es auch der Weg, den Sie zurücklegen müssen, um Ihren Gegner zu erreichen. Durch das Verteidigen Ihres Seichusen sowie durch das Angreifen seines Seichusen können Sie Ihren Gegner besiegen. Seichusen hängt auch mit der Körperhaltung, also mit der Stellung, zusammen. Stehen Sie in Heisoku oder Heikodachi dem Gegner gegenüber, so zeigen Sie dem Gegner eine große Angriffsfläche. Sie stehen jedoch im richtigen Winkel zum Gegner, wenn Sie Ihren Körper in eine „Hanmi“-Position (d.h. 45° relativ zur Front) bewegen, so bietet der Körper weniger Angriffsfläche. Mit anderen Worten machen Sie dadurch Ihr Seichusen schmaler und somit ist es auch einfacher, Ihr Seichusen zu verteidigen.

AS: Können wir ein bisschen über Embusen, Gleichgewicht und Bewegungen sprechen?
TO: Wenn Leute von Embusen sprechen, denken sie unmittelbar an die Ausführungslinie einer Kata. Embusen ist mehr als nur eine Ausführungslinie. Man glaubt auch, dass eine Kata exakt an dem Punkt in dem Embusen enden muss, an dem sie anfängt. Embusen bedeutet aber viel mehr. Das Embusen in die Bewegung einer Kata in einer sinnvollen Art und Weise zu verflechten, ist in der Tat die Seele einer Kata. Das Bewegen entlang des Embusen ist eine Kunst für sich und das ist es, was wirklich zählt. In diesem Moment stellt man eine technische Frage. Sich entlang des Embusen zu bewegen erfordert eine Menge Geschicklichkeit. Dies ist tatsächlich die wichtigste Qualifikation. Wie die Leute ursprünglich ihren Körper entlang des Embusen bewegten, ist völlig verschieden von der Bewegung, die heute für selbstverständlich angenommen wird. Ein Beispiel: man muss sich vorwärts bewegen, ohne die Ferse anzuheben, oder vorwärts springen, ohne auf den Boden zu stampfen. Stellen Sie sich mal vor, auf einer geraden Linie rückwärts zu gehen. Wenn Sie Ihre hintere Ferse beim Zurückgehen anheben, gibt es eine geringfügige Verzögerung der Rückwärtsbewegung Ihres Rumpfes. Im Japanischen reden wir davon, dass Ihr Körper am Platz bleibt. Sollten Sie zurückgehen aufgrund eines kommenden Angriffs dann müssen Sie entweder dem Angriff ausweichen oder sich ihm stellen. In dem Moment, in dem Sie beginnen zurückzugehen, muss Ihr ganzer Körper sich als eine Einheit sofort bewegen. Es darf keinerlei Verzögerung geben. Die Ferse anzuheben verursacht eine Verzögerung. Wenn Sie sich in einer Kata vorwärts bewegen und heben Sie die vordere Ferse an, die die hintere beim Stellungsübergang werden wird, dann können Sie nicht mit Ihrem ganzen Körpergewicht vorgehen. Stampfen Sie auf den Boden wenn Sie vorgehen, gibt es auch hier eine Verzögerung der Rumpfbewegung. Lernen, wie man den ganzen Körper als eine Einheit bewegt, ist eine erworbene Fertigkeit. Noch etwas über das Gleichgewicht: Leute reden viel von der Bedeutung der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts. Aber das Gleichgewicht worüber die meisten Leute nachdenken, ist grundverschieden von dem Gleichgewicht in der Kampfkunst. Wenn wir über Gleichgewicht sprechen, dann meinen wir den Moment, in dem man sein Gleichgewicht bald verliert. In der Kampfkunst ist das Gleichgewicht praktisch der Beginn des Ungleichgewichts. Wenn wir uns von Punkt A zu Punkt B bewegen wollen und wir stehen im Gleichgewicht mit unserem Körpergewicht 50/50, müssen wir erst mal die Trägheit überwinden, um vorgehen zu können. Wenn wir allerdings eine Stellung einnehmen, bei der der Schwerpunkt etwas von der Mitte verschoben ist, so dass weniger Massenträgheit überwunden werden muss, so können wir uns leichter und einfacher vorwärts bewegen. Mit anderen Worten, von A zu B zu gehen im Sinne des Ungleichgewichts oder im Sinne des Vorlehnens bedeutet weniger Trägheit zu überwinden. Das Resultat ist, dass Sie „natürlicher“ und fließender vorgehen, mit geringerem Aufwand und weniger Energie und mit einem Minimum von überflüssigen Bewegungen. Einige konzentrieren sich zu sehr auf die „Fußbewegung“, aber diese Art der Bewegung ist langsam. Durch das Fühlen Ihres Schwerpunktes und durch das Entwickeln des Bewusstseins über dessen Position, werden Sie in der Lage sein, Ihren Körper schneller und effizienter zu bewegen. Wir nennen es „Bewegen aus dem Zentrum“.

AS: Können wir über Sportkarate sprechen?
TO: Karate erreichte eine weltweite Akzeptanz und Popularität dank des Sportkarate. Hätten wir Karate als eine wahre Kampfkunst beibehalten, wäre es nie so weit verbreitet worden. Wenn Leute die Prinzipien der Kampfkunst in ihr Karate einflechten, wird ihr Karate weiter verbessert.

AS: Wie würde es Ihnen gefallen, Karate vollkommen zu sehen?
TO: Das Entscheidende ist technisch gesehen, dass jeder eine größere Wertschätzung bekommt, worum es sich bei Karate handelt. Wenn ein Karateka ein technisches Niveau erreicht hat, dann ist es beim Anstreben der nächsten Stufe nicht unbedingt von Nöten, neue Ideen zu entwickeln, sondern wichtiger ist es, nach alten Ideen zu suchen und sie in die Gegenwart zu integrieren. Wenn man darüber nachdenkt, gibt es nur relativ wenig Schüler, die an Wettkämpfen teilnehmen. Der Rest trainiert nur für das Dojo. Die Mehrheit kann starken Nutzen daraus ziehen, indem sie lernt, wie man den Körper bewegt und wie man den Körper einsetzt. Für die wenigen Wettkampfteilnehmer ist der Sieg wichtig. Es stellt sich also die Frage: warum gewinnt eine bestimmte Kata in einem Wettbewerb? Diese eine Kata gewinnt, weil die Schiedsrichter sie für eine Sieger-Kata halten. Könnten wir das Denken bzw. die Denkweise der Schiedsrichter beeinflussen, würde ihre Entscheidung anders ausfallen. Der Wettbewerbsteilnehmer ist kein Dummkopf, so dass er sich natürlicherweise nach den von den Schiedsrichtern festgelegten Kriterien richtet. So gesehen besteht die Herausforderung darin, die Schiedsrichter umzuschulen, ihnen zu helfen, die Geschicklichkeit und Raffiniertheit der Bewegung zu sehen und zu verstehen. Können wir ihre Denkweise beeinflussen um das zu verändern, woran sie glauben und was wir im Training tun? Wenn jemand ein Urteil über eine Kata fällt, aber nichts davon versteht, warum man sich in einer bestimmten Art und Weise bewegt, wird der richtig ausgebildete Wettbewerbs-Teilnehmer verlieren – und er würde einem leid tun. Aus diesem Grund müssen wir die Ausbilder umschulen. Als Vorsitzender des technischen Komitees für Kobudo (Waffenkunst) empfinde ich es als meine Verpflichtung, einen Weg zu finden, die Funktionäre auszubilden. Letzten Endes sind die Funktionäre diejenigen, die über die „Qualität der Katas“ entscheiden. Die verbliebene, noch zu beantwortende Frage ist, wie kann man dies am besten tun? Karate stammt aus Okinawa. Man kann es nicht isoliert betrachten, sondern muss es in seinem kulturellen Zusammenhang sehen. So lange man die Kultur Okinawas nicht versteht, kann man die Kampfkunst nicht richtig würdigen und sie ist schwer zu verstehen. Die Waffenkünste unterliegen beispielsweise einem starken Einfluss aus China. Im Gojo Ryu kann man den chinesischen Einfluss eindeutig erkennen. Shuri-Te, andererseits, unterliegt ebenfalls einigen chinesischen Einflüssen, aber die Art den Körper zu bewegen, ist identisch mit der Körperbewegung der traditionellen japanischen Kunst auf dem Festland. Das Problem besteht darin, dass das nach Japan gekommene Karate nicht das ursprüngliche Shuri-Te, sondern nur eine für den Sportunterricht modifizierte Form war. Deshalb waren die Kampfkünstler auf dem Festland nicht sehr davon beeindruckt und dachten sich „aha, das ist also Karate“, aber das war es nicht. Wenn man also wirklich verstehen will, was die wahren Shuri-Te Karatetechniken bzw. Katas sind, sollte man anstatt nach China, auf das Festland Japans gehen und die traditionelle Kampfkünste studieren. Die gleichen Kernelemente japanischer Kampfkunst findet man im Karate, Jujitsu, Kenjitsu und in anderen Richtungen. Nach meinen persönlichen Erfahrungen mit Yamanni-ryu Bo teilt die Bewegung in diesem Stil einige Ähnlichkeiten mit der Kunst des Speers, sofern man den Bo stößt und mit Naginata oder Kenjitsu, wenn man ihn schwingt. Betrachtet man die Photos von den traditionellen Meistern Okinawas, kann man die Stellungen der traditionellen Kampfkünste Japans erkennen. So findet man die Wurzeln des Shuri-Te auf dem Festland Japans.

AS: Woran denkt man beim Begriff Budo?
TO: Lassen wir uns erst einmal über Bujitsu sprechen. Budo ist eine Sammlung von Idealen. Bujitsu ist mehr das technische Ende und der Teil, mit dem wir uns hier beschäftigen. Budo ist ein Wunschbild, wonach wir streben sollten. Die Methode des Karate, der technische Aspekt, liegt im Bereich des Bujitsu und nicht in den Idealen des Budo. Da mit dem Wort Budo relativ zwanglos und locker umgegangen wird, verstehen die Leute es nicht wirklich und haben daher auch keinen Respekt davor, weil das Wort Budo zu gewöhnlich geworden ist. Nur Bujitsu allein zu lernen ist eine enorm schwierige Aufgabe. Bujitsu mit dem Körper zu lernen bedeutet Jahre harten Trainings und Disziplin und solche Disziplin und Beharrlichkeit sind Bestandteile des Budo. Doch Budo ist auch etwas, wonach wir beim Studieren des Bujitsu streben sollten.

AS: Umschulen bzw. Umdenken scheint notwendig zu sein, aber wann und wie?
TO: Die Ausbilder umzuschulen ist die bevorstehende Aufgabe. Wir müssen das Bewusstsein schaffen, das Interesse und die Neugier der Ausbilder und Schüler zu wecken. Wir brauchen mehr Seminare. Im letzten Schulungskurs hoben wir hervor, worauf in einem Wettbewerb geachtet werden muss. Beispiel: Ich zeigte den Unterschied zwischen dem Bo- Schlag nur mit einem Arm und dem Bo- Schlag mit dem ganzen Körpereinsatz. Ich zeigte den Unterschied zwischen Stellungen in einem schmalen und einem breiten Seichusen. Durch die Demonstration kleiner Feinheiten des Kobudo, hoffe ich sehr darauf, die Denkweise der Teilnehmer nicht nur im Kobudo, sondern auch im Karate im allgemein beeinflussen zu können. Die Grundlagen des Kobudo stehen im direkten Zusammenhang zum Karate. Sie sind identisch.

AS: Können Sie erklären oder ein Beispiel dafür geben, wie sich die Technik verändert hat?
TO: Es gibt einen ausgeprägten Unterschied darin, wie ein Gedan Barai heute ausgeführt wird. Die Art wie man seinen Arm einsetzt ist unterschiedlich. Man kann mit dem Knochen zuschlagen; dabei sind die lebenswichtigen Bereiche bedeckt, weil man den Ellbogen nah am Körper hält; die Schenkel sowie die Unterarme sind fest und der Ellbogen zeigt nach hinten. Diese Einzelheiten können einer Gruppe von 50 oder mehr Leuten sehr schlecht vermittelt werden. Vielleicht werden sie deshalb einfach ausgelassen beim Versuch große Gruppen zu unterrichten. Ein weiterer Punkt ist: „Der Einsatz der Hüfte“. Dieser Ausdruck hat unterschiedliche Bedeutungen, da sich die Hüftregion bei den Japanern woanders befindet als bei den Amerikanern. Wenn sich jemand durch Vorspannung und Drehung entlang der Angriffslinie bewegt, wird er gleichzeitig die Angriffspunkte schützen und sich schnell bewegen wollen. Der Hüfteinsatz bedeutet, den Rücken einzusetzen, die Schulter nach vorn fallen zu lassen, zu entspannen, das auszunutzen, was ich als „schwebenden Körper“ bezeichne und bereit zu sein, sich zu bewegen. Die Körperhaltung, die Stellung ist nicht statisch sondern dynamisch. Es gibt einen Unterschied zwischen der realen und der wahrgenommenen Geschwindigkeit. Das ist der altmodische Weg. Ich denke, es ist wichtig, die Techniken zu „fühlen“. Der Schmerz ist unterschiedlich bei einem Treffer – der Schaden und das Gefühl sind verschieden bei der traditionellen Methode. Im modernen Karate wird die Energie am Ziel freigesetzt und die Energie prallt zurück. Beim modernen Karate ist man um die Sicherheit besorgt und das ist auch gut so. Die alte Methode zieht die Sicherheit aber auch in Betracht. Bei der traditionellen Fausttechnik sind unsere Hände bis zum Aufprall entspannt und dann konzentrieren wir uns auf das Kime und senden die Energie durch unseren Gegner. Bei der modernen Fausttechnik wird bis zum Aufprall abgebremst anstatt zu beschleunigen, da die Muskeln übermäßig angespannt werden. Sobald die Oberfläche getroffen wird, wird die Technik abgebremst. Mit anderen Worten die Fausttechnik wird im modernen Karate gestoppt anstatt losgelassen bzw. freigesetzt zu werden. Man muss lernen, die Energie freizusetzen. Dies ist sehr offensichtlich in dem heutigen Makiwara Training, die Energie wird dabei zurückgehalten. Der Zweck der Katas ist es zu zeigen, wie die Technik einzusetzen ist, wie man sich bewegt und wie die Energie freigesetzt wird. Beim Kumite wird das Gefühl für Distanz und Timing entwickelt. Sie ergänzen sich gegenseitig. Wenn man beides lernt, wird das eigene Karate lebendig. Im modernen Karate führen wir Bein- und Armtechniken durch. In der Realität müssen die Beintechnik und Armtechnik gleichzeitig stattfinden, also in einer Bewegung. So wird die Energie mit in die Technik einfließen. Wenn man zuerst den Schritt macht und dann die Armbewegung, geht ein Teil der Energie im Boden verloren und erreicht so das Ziel nicht. Man muss lernen, seinen ganzen Körper einzusetzen, in der Kata wie im Kumite. Das kann man nicht von einer Videoaufnahme lernen. Man muss getroffen werden, um die Technik zu verstehen und der Ausbilder muss fühlen können, dass der Schüler die Technik wirklich beherrscht. Die Neugier der Leute muss geweckt werden, wenn sie Oshiros Seminare besuchen. Es gibt so viel zu lehren, doch oftmals ist es verschieden zu dem, was viele gelernt haben. Stoß deinen Fuß nicht ab. Schieb deinen Schwerpunkt nach vorn. Bleib nicht stehen – die Technik muss von einem zum andern fließen. Viele schenken der Körperhaltung bzw. der Stellung sehr Beachtung und Aufmerksamkeit. Was ist aber die richtige Stellung? Die Stellung ist ein fertiges Produkt. Wichtig sind aber die Bewegungen dazwischen. Man soll nicht zeigen, was man gerade tut. Der Arm bewegt sich wie eine Peitsche und es gibt keine überflüssigen Bewegungen. Dank des modernen Karate hat diese Kunst eine unglaubliche Popularität erreicht und ist überall auf der Welt verbreitet. Um ihre Bedeutung zu verstehen, werden wir einige Umschulungen machen müssen. Man kann sich dies nicht selbst beibringen. Man muss es gezeigt bekommen. Wir können nehmen, was wir momentan haben und führen die vorherige Bedeutung mit ein. Reales Karate ist eine erstklassige Kunst.

AS: Wir müssen also auf das Alte zurückblicken um das Neue zu verstehen?

Quelle: RBKD Germany
 

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